Fruchtfliegen: Nicht jeder Frühlingsbote ist beliebt

Fruchtfliegen sind klein und weitgehend harmlos, doch lästig sind sie allemal. Fast niemand kann sich mit diesen Tierchen anfreunden – und so beginnt Jahr für Jahr ein neuer Kampf um Küche und Speisekammer. Doch warum fühlen sich die unerwünschten Dauergäste hier überhaupt so wohl – und lassen sich Fruchtfliegen überhaupt dauerhaft vertreiben? 

Kaum kommt der Frühling, sind sie wieder da – wie immer scheinbar aus dem Nichts, dafür aber gleich zu Dutzenden. Wenn die Temperaturen ansteigen, sind auch wieder Fruchtfliegen unterwegs, um den Obstkorb, die Limonade oder den Kompost zu umlagern.

Werden sie von ihrer Mahlzeit aufgescheucht, schwirren sie kurz in der Küche umher und landen dann in Grüppchen auf Plätzen, die gerade sicherer erscheinen, zum Beispiel auf Fensterscheiben, Schränken oder einfach auf der Wand. Nach einer kurzen Zeit kehren sie einfach wieder zurück zu ihrer Beute, von der sie unwiderstehlich angezogen werden.

Das Heer der Obstliebhaber

Fruchtfliegen ernähren sich vorzugsweise von Stoffen und Flüssigkeiten, die Süsse enthalten und bereits zu Gären begonnen haben. Besonders gern naschen sie von reifem, überreifem oder faulendem Obst. Darum fühlen sie sich so wohl auf der Obstschale und in den Küchenabfällen. Aber sie lieben auch frische Obstsäfte, Wein, Bier und Essig. Darum werden sie auch Essig- und Obstfliegen genannt.

Zu Essig haben Fruchtfliegen eine besondere Beziehung: Landen ein oder zwei Exemplare in einem Glas Saft und schwimmen bzw. ertrinken darin, bekommt der Saft sehr schnell ein intensives Essigaroma. Es scheint, als könnten die Minifliegen aus verschiedenen Substanzen Essig herstellen – sicher gibt es hierfür eine sehr komplexe biochemische Erklärung. In die angegorenen und sich zersetzenden Obstreste, etwa in Bananenschalen, legen die erwachsenen Weibchen der Fruchtfliege ihre Eier, aus denen nach wenigen Tagen bereits Larven schlüpfen.

Bleiben die kleinen Fliegen bei ihrem munteren Treiben zu lange unbemerkt bzw. gestört, vermehren sie sich rasend schnell und können zu einer echten Plage werden. Wenn die Bedingungen optimal sind, liegt die Generationsdauer der Fruchtfliege bei rund zehn Tagen. Da jedes Weibchen sehr viele Eier legen kann, ist die Menge der möglichen Nachkommenschaft beindruckend hoch: Theoretisch können aus einem einzigen Weibchen in nur einem Monat mehr als 15 Millionen weitere Fruchtfliegen hervorgehen.

Eigentlich harmlos, aber in grossen Massen schädlich

Fruchtfliegen beissen nicht, stechen nicht und saugen kein Blut. Das einzige Risiko für den Menschen besteht darin, dass die Fliegen unter Umständen Krankheiten übertragen können. Denn beim Hin- und Herfliegen zwischen Lebensmitteln und Abfällen und beim abwechselnden Landen auf Ess- und Brutplätzen nehmen sie verschiedene Bakterien mit – und darunter können natürlich immer auch Krankheitserreger sein. Doch es gibt keine typischen Krankheiten, die durch Obstfliegen auf Menschen oder Haustiere übertragen werden.

In normalen Haushalten kommt es überdies nur sehr selten zu einer riskanten Massenentwicklung von Fruchtfliegen. Denn die Tierchen sind zwar nicht auszurotten, aber verhältnismässig leicht zu bekämpfen – unter anderem daher, weil sie nur langsam fliegen und keinerlei Tarnung betreiben ausser ihrer Winzigkeit. Grössere Probleme mit Fruchtfliegen gibt es zuweilen in Keltereien, Brauereien, Grossküchen oder Obstlagern – vor allem, wenn die Temperaturen vorher rasch angestiegen sind oder der betreffende Betrieb nicht aufmerksam genug bei der Lagerung und Entsorgung von Abfällen war.

Gestatten: Drosophila Melanogaster, besterforschter Organismus der Welt

Es gibt mehr als 3.000 Fruchtfliegenarten auf der Welt. Sie alle gehören, wissenschaftlich betrachtet, zur Familie der Taufliegen. Wegen ihrer Robustheit, ihrer Vermehrungsfreudigkeit und ihres raschen Generationswechsels ist die Art Drosophila Melanogaster hervorragend zur Erforschung der Genetik geeignet und gehört darum zu den am besten untersuchten Organismen weltweit.


Fruchtfliegen sind klein und weitgehend harmlos, doch lästig sind sie allemal. (Bild: © Sylvie Bouchard – shutterstock.com)

Seit dem Jahr 1901 wird sie von Zoologen und Vererbungsforschern als sogenannter Versuchs- oder auch Modellorganismus genutzt. An eigens dafür gezüchteten Drosophila Melanogaster-Stämmen können beispielsweise Erbkrankheiten, Mutationen oder die Effekte von Kreuzungen über viele Generationen hinweg beobachtet und studiert werden. Mittlerweile haben sich so viele Genetiker so gründlich mit dem kleinen Modellorganismus beschäftigt, dass dessen Genom, also das Erbgut der Fruchtfliege, weitgehend entschlüsselt ist.

Im Jahr 2000 berichtete die Universität Berkeley in Kalifornien, es sei den dortigen Wissenschaftlern gelungen, den genetischen Code der Fruchtfliege zu knacken. Das Genom von Drosophila Melanogaster, so die Forscher, sei zu 97 Prozent entschlüsselt. Acht Jahre der Forschung waren dafür nötig, und aus den Ergebnissen ergeben sich auch spannende neue Erkenntnisse über das Erbgut des Menschen. Denn das ist dem der Fruchtfliege gar nicht so unähnlich: Der Mensch besitzt zwar fast fünfmal so viele Gene wie die Fruchtfliege, aber die Übereinstimmung zwischen den beiden Organismen liegt bei ca. 60 Prozent. So haben Fruchtfliegen wie Menschen einen konstanten Schlaf-Wach-Rhythmus, neigen zu komplexen Verhaltensroutinen und -ritualen und können sogar alkohol- oder drogensüchtig werden.

Zum Angriff: Fruchtfliegen bekämpfen und loswerden

Fruchtfliegen fliegen auf Flüssigkeiten. Dabei gehen sie recht unvorsichtig vor: Wenn sie den Inhalt eines Glases verlockend finden, fliegen sie hinein – und sehr viele ertrinken beim Naschen. Fruchtfliegenfallen sind daher rasch bereit und erfordern wenig Kreativität bei der Auswahl der Inhaltsstoffe. Ein Glas mit Essigwasser, Zuckerlösung, Saft oder einer aufgelösten Reinigungstablette (z. B. für Silberbesteck, Gebisse oder Zahnspangen) lockt die Fliegen zuverlässig an. Damit möglichst wenige entkommen, wird die Mischung mit einem Tropfen Spülmittel ergänzt. Das verringert die Oberflächenspannung des Wassers, so dass die Fruchtfliegen darauf nicht mehr landen und sich aufhalten können, sondern bei der ersten Berührung sofort untergehen.

Kräuterfreunde berichten auch über die erfolgreiche Fruchtfliegenbekämpfung mit getrocknetem Heiligen- bzw. Olivenkraut. In kleinen Beuteln oder Sträussen in der Küche aufgehängt, soll es die Quälgeister abschrecken und vertreiben. Funktioniert es nicht, erfreuen die Köder immerhin das Auge und bringen einen Hauch von mediterranem Landhausflair in die Küche. Dasselbe gilt für lebendes Fettkraut: Diese hübsche, fleischfressende Pflanze schätzt Fruchtfliegen als leckere Eiweissträger, doch eine Pflanze allein kann dem Heer der Fruchtfliegen ohne menschliche Unterstützung nicht Herr werden.

Massenentwicklung verhindern

Mit wenig Aufwand bleibt die Küche weitgehend frei von Fruchtfliegen. Denn wenn die Insekten nichts zu essen finden, verschwinden sie von selbst wieder, und zwar fast so schnell, wie sie gekommen sind. Darum einfach reifes Gemüse und Obst nicht herumliegen lassen, sondern lieber in Vorratsdosen oder im Kühlschrank aufbewahren und die Küchenabfälle regelmässig hinaustragen. Der Kompost im Garten sollte entweder in einem speziellen abgeschlossenen Behälter gelagert oder abseits angelegt und immer wieder mit frischem Grünschnitt (z. B. gemähtem Gras) bedeckt werden.

Äpfel und Tomaten geben am meisten von dem Reifegas ab, das Fruchtfliegen anlockt. Daher reifen andere Früchte, die in der Nähe von Tomaten und Äpfeln gelagert werden, deutlich schneller und beginnen auch schneller zu faulen. Hier hilft es, eine alte Hausfrauenregel zu beachten und immer für einen Abstand von rund einem halben Meter zwischen diesen und anderen Früchten zu sorgen. Im Handel sind auch UV-Lampen als Insektenfallen erhältlich. Die Fliegen werden von ihrem Licht angelockt und bleiben dann auf einer Klebefolie haften.



Fazit: Der Mensch kann den Kampf gegen die Fruchtfliege nicht gewinnen. Aber das muss er auch nicht, denn die kleinen Tierchen sind harmlos und sogar recht interessant. Allerdings dürfen sie sich nicht zu stark vermehren – doch die Massenentwicklung in der Küche lässt sich mit einfachen Hausmitteln verhindern.

 

Oberstes Bild: © Marek Velechovsky – shutterstock.com

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Mehr zu Christine Praetorius

Christine Praetorius, Jahrgang 1971, spricht und schreibt über Neues, Altes, Schönes und Kurioses. Ich liebe Sprache und Musik als die grössten von Menschen für Menschen gemachten Freuden – und bleibe gerne länger wach, um ihnen noch etwas hinzuzufügen. Seit 2012 arbeite ich mit meinem Mann Christian als freie Texterin, Autorin und Lektorin.

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