Vier Faktoren für Sauberkeit – der Sinnersche Kreis

Herbert Sinner kannte sich von Berufs wegen bestens mit Reinigungsabläufen aus, denn der studierte Tensidchemiker war Leiter der Waschmittel-Anwendungstechnik bei Henkel und in dieser Funktion auch für Grundlagenforschungen im Bereich Reinigung verantwortlich.

Seinem Wirken ist es zu verdanken, dass wir heute genauer verstehen, welche Faktoren entscheidend sind für den Erfolg von Reinigungsaktivitäten, ob im Gewerbe oder im privaten Haushalt.

Sinner erkannte bereits Ende der 1950er-Jahre, dass es insgesamt vier Faktoren gibt, die das Reinigungsergebnis beeinflussen, und dass diese Faktoren in Abhängigkeit zueinander stehen. Das bedeutet, dass nicht jeder der vier Faktoren gleich stark vertreten sein muss, um ein gutes Ergebnis zu erzielen, was insbesondere für die Entwicklung von leistungsfähigen Reinigungsmitteln von Bedeutung ist. Aber auch in modernen Wasch- und Spülmaschinen fliessen die Erkenntnisse von Herbert Sinner ein, der sich mit dem nach ihm benannten Sinnerschen Kreis selber ein Denkmal setzen konnte.

Der Sinnersche Kreis

Laut Sinners Beobachtungen sind für das Erzielen einer gewünschten Reinigungsleistung vier Faktoren von Bedeutung:

  • Mechanik,
  • Temperatur,
  • Chemie und
  • Zeit

Laut Sinners Beobachtungen sind für das Erzielen einer gewünschten Reinigungsleistung vier Faktoren von Bedeutung (Bild: © DavidG – CC BY-SA 2.0)

Mechanik als erstes Element meint das mechanische Lösen von Verschmutzungen ebenso wie die Kontaktherstellung mit dem Reinigungsmittel, damit dieses wirken kann. Der Spüllappen, mit dem ein Fleck bearbeitet wird, ist genauso eine mechanische Reinigung wie das Drehen der Trommel der Waschmaschine, das die früher notwendige harte Arbeit der Waschfrauen am Waschbrett ersetzt. Allerdings kann zu viel Mechanik das zu reinigende Material beschädigen, etwa indem die Oberfläche verkratzt wird.

Die Temperatur, mit der eine Verschmutzung angegangen wird, hat ebenfalls einen Einfluss auf das Reinigungsergebnis. Grundsätzlich gilt, dass je höher die Temperatur ist, desto leichter Verschmutzungen gelöst werden können. Allerdings lässt sich die Temperatur nicht unbegrenzt steigern: Während ein Kunststoffgefäss problemlos auch mit heissem, selbst kochendem Wasser behandelt werden kann, empfiehlt sich etwa bei der Reinigung von Wolle die Verwendung von maximal handwarmem Wasser, da sich bei höheren Temperaturen die Wollfasern verfilzen würden, eine nicht reversible Verfilzung ist die Konsequenz.

Viele Verschmutzungen lassen sich nicht alleine durch Wasser – gleich welcher Temperatur – und Mechanik lösen und beseitigen. So reagieren beispielsweise Fette und Harze wasserabweisend, solche Verschmutzungen lassen sich daher nur mit einem geeigneten chemischen Lösungsmittel bekämpfen. Eine besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang Tenside, die die Oberflächenspannung herabsetzen und die beispielsweise für die reiniende Wirkung von Seife verantwortlich sind. Auch Säuren oder Laugen weisen eine hohe Reaktivität auf und werden daher – wenn auch stärker im professionellen Reinigungsgewerbe – zur Beseitigung von hartnäckigen Verschmutzungen eingesetzt. Jedoch gilt für die Chemie, dass sie auf das zu reinigende Material abgestimmt sein muss, um die erwünschte Wirkung zu erreichen und das Material nicht zu beschädigen oder zu zerstören.

Das letzte von Sinner identifizierte Element ist die Zeit, die zwischen Aufbringen und Entfernen des Reinigungsmittels vergeht oder die für die mechanische Reinigung verwendet wird. Der Faktor Zeit wird häufig unterschätzt, da moderne Reinigungsmittel suggerieren, jeden Fleck alleine durch kurzes Behandeln entfernen zu können. Gerade alte, eingetrocknete oder eingebrannte Verschmutzungen lassen sich jedoch erst dann lösen, wenn ausreichend Zeit vergangen ist, in der die anderen Faktoren wirken konnten.

Die Summe aller Teile ergibt immer 100 Prozent

Sinner erkannte, dass alle vier Faktoren bei einem beliebigen Reinigungsprozess beteiligt sind, jedoch durchaus mit unterschiedlichen Anteilen. Diese Erkenntnis macht es möglich, die Faktoren unterschiedlich intensiv zu nutzen und etwa die Einwirkzeit zu erhöhen, um in einem niedrigeren Temperaturbereich arbeiten zu können. Auch lässt sich durch eine Erhöhung der Einwirkzeit die Konzentration der chemischen Hilfsmittel reduzieren, wodurch eine Schädigung des Materials durch aggressive Reinigungsmittel verhindert werden kann. Dennoch ist für ein gutes Reinigungsergebnis jeder der vier Faktoren von Bedeutung, wenngleich sich auch deren Anteile verändern können.

Dieses verdeutlichte Sinner durch die Anordnung der Faktoren in einem aus vier Teilen bestehenden Kreis. Die einzelnen Teile können, müssen aber nicht die gleiche Grösse ausweisen, da ein geringerer Anteil von einem Faktor durch grössere Anteile eines oder mehrerer der anderen Faktoren ausgeglichen werden kann. So beeinflusst der Faktor Chemie die Zeit (weniger Chemie mit mehr Zeit und umgekehrt), die Mechanik (Verschmutzungen werden durch Chemie leichter gelöst und erfordern weniger mechanischen Aufwand wie Scheuern oder Reiben) und senkt die erforderliche Temperatur (diesen Effekt machen sich etwa Hersteller von speziellen Wollwaschmitteln zu Nutze, die auch bei niedrigen Temperaturen eine ausreichende Wasch- und Reinigungswirkung entfalten). Und auch zwischen Temperatur und Mechanik gibt es Wechselwirkungen, ein Fleck lässt sich in der Regel schneller mit warmem Wasser lösen als mit kaltem, so dass bei kälterem Wasser mehr mechanische Arbeit notwendig ist, um das gleiche Ergebnis zu erzielen.



Der Sinnersche Kreis in der Praxis

Nicht nur bei der manuellen Reinigung ist der Sinnersche Kreis von Bedeutung, Hersteller von Wasch- und Reinigungsmitteln nutzen die Erkenntnisse von Herbert Sinner, um ihre Produkte immer weiter zu optimieren und etwa den Stromverbrauch von Wasch- und Geschirrspülmaschinen zu reduzieren. Die Maschinen erreichen mit einer geringeren Wassertemperatur das gleiche Ergebnis, teilweise durch längere Programmabläufe (Zeit) oder durch bessere Tenside (Chemie).

Aus diesem Grund sollte man sich beim Einsatz von Reinigungsmitteln genau die aufgedruckten Verwendungshinweise durchlesen, denn viele moderne Reiniger brauchen kein heisses Wasser mehr, um wirkungsvoll gegen Flecken und Verschmutzungen vorzugehen, es machen die Kraft der Chemie und eventuell eine verlängerte Einwirkzeit, in der der Schmutz angelöst wird, so dass er danach mit einem geringen Kraft- und Zeitaufwand aufgenommen werden kann.

Das gilt auch für die Programme von Wasch- oder Spülmaschine: Wer auf Chemie verzichten oder sie zumindest reduzieren möchte, sollte der Maschine ausreichend Zeit geben und sie in einem höheren Temperaturbereich betreiben, um ein optimales Reinigungsergebnis zu erhalten.



Fazit: Sauberkeit ist das Ergebnis von vier Faktoren, die bei jedem Reinigungsvorgang zusammenspielen müssen. Neben der reinen Mechanik – ob maschinell oder mit Muskelkraft – kommt es auch die Temperatur des Wassers an, auf die chemische Zusammensetzung des Reinigungsmittels sowie auf die Zeit, die es auf die Verschmutzung einwirken kann.

 

Oberstes Bild: © Kushch Dmitry – shutterstock.com

author-profile-picture-150x150

Mehr zu Christian Praetorius

Christian Praetorius, Jahrgang 1969, gelernter Controller und Logistiker mit jahrelanger Berufserfahrung. Seit 2012 gemeinsam mit seiner Frau Christine als freier Texter und Autor selbständig, erfolgreich und glücklich. Seine Kunden schätzen ihn für klare Worte, originelle Slogans und kreative Wortspiele ebenso wie für seine absolute Zuverlässigkeit und Kundenorientierung. Schreibt aus Berufung und mit Leidenschaft für die Sprache, die Botschaft und den Leser.

website-24x24
jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-14').gslider({groupid:14,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});