Lifestyle Essen: Foodkonzepte im digitalen Wandel

Der digitale Wandel macht auch vor der Lebensmittelindustrie nicht Halt. Revolutionäre Technologien heben die Branche in ein neues Zeitalter, seien es 3D-Drucker, intelligente Apps, die den Inhalt des Kühlschrank kennen oder eine auf Nachfrage basierende Produktion. Die bisherigen Konsumgewohnheiten werden dadurch massgeblich beeinflusst.

Als Ausdruck von Lebensgefühl und Individualität, der für viele gar als Gruppenzugehörigkeit empfunden wird, hat die Ernährung einen ganz neuen gesellschaftlichen Stellenwert eingenommen.

Welche Trends sich langfristig durchsetzen werden und wie sich der Markt für Unternehmen schon mittelfristig verändern wird, beschreiben sechs Experten aus den Bereichen Food Design, Forschung und Entwicklung, Produktion und Open Innovation.

Hanni Rützler: Vielfalt schätzen und Ressourcen effizient einsetzen

„In Europa und den USA ist der Fokus der Lebensmittelproduktion seit Jahren auf Effizienz ausgerichtet. Dieser Blickwinkel hat vor allem in den Lebensmittelüberfluss geführt, bietet aber kaum Antworten auf die aktuellen Herausforderungen. Im Gegenteil: Er beschränkt die Manövrierfähigkeit der Lebensmittelwirtschaft. Es braucht einen Paradigmenwechsel von „billiger, schneller, mehr“ zu einem neuen Kreislaufdenken, das Vielfalt schätzt und Ressourcen nicht verbraucht, sondern resilient einsetzt.

Die neuen Foodtrends sind die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen, Sehnsüchte und Wünsche. Diese sind weltweit eng an die jeweilige Esskultur gebunden, die sehr vielfältig ist und sich mit unterschiedlichem Tempo entwickelt. Dem gilt es, mit vielfältigen Lösungen zu begegnen. Und das lineare Denken, in dem viele grosse Unternehmen nach wie vor verhaftet sind, macht sie anfällig für (disruptive) Störungen.

Sie müssen ihren Blick erweitern, über die Branchengrenzen hinausschauen, Kooperationen mit beweglicheren Startups suchen und ihre Unternehmenskultur auf dynamischere Entwicklungen in der Branche anpassen. Nur so werden sie die passenden Antworten auf die Probleme von morgen finden.“

Hanni Rützler, Ernährungswissenschaftlerin und Foodtrend-Forscherin. In ihren jährlich erscheinenden FOOD REPORTS beleuchtet sie in Zusammenarbeit mit zukunftsInstitut und der Lebensmittel Zeitung Visionen und Trends in der Food-Branche.

John Ruff: Natürliche Lebensmittel als Luxusgut

„Momentan sind weltweit eher widersprüchliche Tendenzen zu beobachten. In den Industrienationen achtet die Mehrheit der Verbraucher auf natürliche und wenig verarbeitete Lebensmittel. In den Entwicklungsländern sind Verbraucher eher an erschwinglichen und nahrhaften Lebensmitteln interessiert, was wiederum dazu führt, dass Investitionen in die Lebensmittelindustrie und Anwendungen neuer Technologien deutlich zunehmen.

In naher Zukunft werden mit grosser Wahrscheinlichkeit vor allem Innovationen aus Ländern wie China oder Indien kommen. Zum Beispiel wird der gestiegene Bedarf an Eiweiss, insbesondere in den Entwicklungsländern, die Nutzung von Aquakulturen beschleunigen.“

John Ruff, ehemaliger Vice President von Kraft Foods, des Institute of Food Technologists (IFT) und der National Food Processors Association (NFPA). In seiner über 36-jährigen Karriere arbeitete Ruff in sechs Ländern als Food Research & Development Experte.

Fabian Siegel: Verschwendung stoppen

„In der Zukunft wird weniger verschwenderisch mit Lebensmitteln umgegangen, als es momentan der Fall ist – allein in der EU werden jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen an Essen verschwendet. Die Fähigkeit, die individuelle Konsumnachfrage zu verstehen und diese Nachfrage in Form einer kundenindividuellen Massenproduktion zu bedienen, ermöglicht es Unternehmen, die richtige Menge an Produkten zum Kunden zu senden. Somit wird weniger Abfall produziert und gleichzeitig gibt es für die Verbraucher gesündere und bessere Lebensmittelangebote.“

Fabian Siegel, Gründer und Geschäftsführer von Marley Spoon. Der Kochbox-Lieferservice macht gesundes Kochen mit gutem Gewissen einfach: Die nachhaltig angebauten und produzierten Zutaten werden mit Rezept und richtiger Menge direkt nach Hause geliefert.


Lifestyle Essen: Revolutionäre Foodkonzepte im Hightech-Zeitalter. (Bild: © Dejan Popovic – shutterstock.com)

Tilo Huehn: Lebensmittel nach Bedarf produzieren

„Das Internet der Dinge und der fortschreitende digitale Wandel machen es möglich: Lebensmittel werden nach ihrem Bedarf in Echtzeit produziert und konsumiert. In dieser Personalisierung werden Lebensmittel nur aus biologisch angebauten Rohstoffen produziert, frisch vom Feld geerntet und fair gehandelt.“

Tilo Hühn, Experte für Verfahrenstechnik und Lebensmittelwissenschaftler und Dozent im Studiengang Lebensmitteltechnologie an der ZHAW Zürcher Hochschule. In Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie hat er neue Lösungen für Geschmacks- und Nährstoffe aus verschiedenen Früchten, Gemüsen, Gewürzen und sogar Insekten.

Bastian Unterberg: Branche muss raus aus der Komfortzone

„Digitalisierung treibt Veränderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Unternehmen. Mit der Industrie 4.0, erleben wir zurzeit den Beginn der nächsten industriellen Revolution – und das mit einer ungewöhnlich hohen Geschwindigkeit. Das Risiko, abgehängt zu werden, ist höher denn je. Die Lebensmittel-Industrie muss daher eine konsequente Haltung einnehmen und ihre Komfortzone verlassen. Es braucht den Mut zum Regelbruch. Es gilt, neue Schnittstellen zu schaffen, um mit Innovationen und Talenten ausserhalb der eigenen Organisation zu kollaborieren und so die Chancen zu nutzen, die Industrie 4.0 bietet.“

Bastian Unterberg, Gründer und CEO von jovoto, einer Open Innovation Plattform, auf der eine Crowd aus Kreativen weltweit gemeinsam Innovationen vor allem für Unternehmen und Non-Profit Organisationen entwickelt. Jüngst launchte jovoto mit Future of Food and Beverages den grössten Think Tank, um gemeinsam mit einem Experten-Netzwerk der Lebensmittelindustrie einen nachhaltigen Wandel der Food-Industrie einzuleiten.

Chloé Rutzerveld: Hightech revolutioniert Produktion und Konsum

„Oft vergessen wir, dass die Landwirtschaft auch eine Technologie ist. Es gibt bereits viele Erfindungen und es werden auch noch weitere folgen, welche das Wachstum verbessern und Lösungen für Ernährungssicherheit schaffen. Hightech wird zunehmend das Lebensmittelangebot und die Art des Konsums bestimmen. Es wird eine ausgearbeitete Auswahl an flüssigen Ernährungsformen geben, die sich individuell an die persönliche DNA, den Stoffwechsel und den Geschmacksvorlieben via mobile Devices anpasst.

Grundsätzlich werden sich zwei Arten der Nahrungsaufnahme verstärken: 1. Schnell und einfach – gefertigt mit Technologien wie Verkapselung, 3D-Druckern, Shakes wie Soylent oder andere Versionen, die alles beinhalten, was der Körper braucht. Und 2. Schnell und authentisch – kochen mit überlokalen Zutaten, urbane Landwirtschaft, die Nutzung von vertikal wachsenden Zellen, alles frisch und natürlich und möglichst unverarbeitet.“

Chloé Rutzerveld, Food Designer aus den Niederlanden mit Fokus auf Nachhaltigkeit. Sie entwickelte unter anderem ein Konzept für gesundes und nachhaltiges 3D-Printing von Snacks aus Pflanzen und Pilzen.

 

Artikel von: jovoto GmbH / Mashup Communications GmbH
Artikelbild: © LDprod – shutterstock.com

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