Wissenswertes über Schraubverbindungen
VON Christian Praetorius Allgemein
Das Befestigen mittels Schrauben ist die am häufigsten eingesetzte Fügemethode. Durch eine Verschraubung entsteht eine formschlüssige, aber jederzeit lösbare Verbindung, die auch starken Kräften widersteht. Von der Flügelmutter abgesehen, die nur für geringe Drehmomente ausgelegt ist und per Hand montiert werden kann, müssen Schraubverbindungen mit einem geeigneten Werkzeug angezogen oder gelöst werden.
Dieses Werkzeug ist im Normalfall ein Schraubendreher (der oft genutzte Begriff des Schraubenziehers ist sachlich falsch, da die Schraube vom Werkzeug nicht gezogen wird), kann aber je nach Ausführung der Schraube auch ein Stift- oder Ringschlüssel oder ein Bit mit unterschiedlichen Profilen sein. Während klassische Profile mit handelsüblichen Schraubendrehern verarbeitet werden können, gibt es auch proprietäre Profilausführungen, für die spezielle Werkzeuge benötigt werden.
Die Kraftübertragung vom Werkzeug auf den Schraubenkopf
Die physikalische Grösse des Drehmoments spielt für die Auswahl des Schraubenprofils eine wichtige Rolle: Je grösser das übertragbare Drehmoment ist, desto stärker kann die Schraube angezogen werden und desto fester ist die Schraubverbindung. Um ein möglichst hohes Drehmoment zu übertragen, müssen die Kräfte möglichst verlustfrei vom Werkzeug auf den Schraubenkopf übertragen werden.
Das Schlitzprofil stellt das älteste Mitnahmeprofil dar, der Schraubenkopf weist eine einfache Einkerbung zur Aufnahme der Klinge des Schraubendrehers auf. Diese einfache Gestaltung bringt diverse Nachteile mit sich: Die Schraubklinge wird nicht im Profil zentriert und kann leicht herausrutschen, daher eignen sich Schlitzschrauben nicht für eine maschinelle Verarbeitung in Schraubautomaten. Zudem ist der Kraftangriff bei Schlitzschrauben sehr ungünstig, die Kraft setzt an zwei diagonal gegenüberliegenden Aussenkanten im Schlitz an, hierdurch entstehen hohe Radialkräfte, die das Kopfprofil und den Schraubendreher beschädigen oder zerstören können.
Eine bessere Kraftübertragung bieten Kreuzschlitzschrauben, die über einen doppelten Schlitz verfügen, die im rechten Winkel zueinander angeordnet sind. Der Kraftangriff erfolgt hier an vier Kanten, wodurch sich diese Schrauben leichter und sicherer verarbeiten lassen. Allerdings kann das Profil durch die Verwendung von falschem Werkzeug leicht beschädigt werden, besonders bei elektrischen Schraubgeräten. Das kann nicht nur zur Folge haben, dass die Schraube unbrauchbar wird, auch das Bit oder der Schraubendreher kann durch die auftretenden Kräfte zerstört werden.
Sechskantprofil = Standard für industrielle Schraubverbindungen
Verbindungselemente mit Sechskantprofil werden weltweit genutzt und stellen auch heute noch den Standard für Schraubverbindungen im industriellen Bereich dar. Das Profil ist ein gleichseitiges Sechseck, deren Seitenflächen jeweils in einem Winkel von 120 ° angeordnet sind. Neben Schrauben haben auch die meisten Schraubenmuttern ein Sechskantprofil, so dass eine solche Verbindung sowohl an der Schraube als auch an der Mutter gelöst oder festgezogen werden kann. Die Flankenlängen und Durchmesser der Verbindungelemente ist ebenso genormt wie deren Gewinde und Toleranzen, so dass Schrauben und Muttern unterschiedlicher Hersteller problemlos kombiniert werden können. Zum Lösen oder Verschrauben werden entweder offene Maulschlüssel oder Ringzahnschlüssel verwendet, zur Not lassen sich diese Verbindungen jedoch auch mit einer Rohrzange bearbeiten.
Sechskantschrauben können als Aussen- oder Innensechskant ausgeführt werden. Bei beiden Formen ist ein hohes Drehmoment möglich, weswegen sich Sechskantprofile in vielen Bereichen durchsetzen konnten, wo es auf eine stabile kraftschlüssige Verbindung ankommt. Auch für die maschinelle Verarbeitung eignen sich Verbindungselemente mit diesen Profilen, da sie auch hohen Einschraubkräften widerstehen. Allerdings ist die Kraftübertragung aufgrund der schmalen Kraftlinien nicht optimal, es müssen also verhältnismässig grosse Kräfte aufgebracht werden, um ein hohes Drehmoment zu erreichen.
Physikalische Hintergründe
Sechskantschrauben und Muttern sind in unterschiedlichen Festigkeitsklassen erhältlich. Diese geben Auskunft darüber, welche Kräfte eine solche Verbindung aushalten kann, ohne sich zu deformieren oder zerstört zu werden. Bei Schrauben wird die Festigkeitsklasse durch zwei Zahlen angezeigt, die durch einen Punkt getrennt werden. Sie finden sich auf der Verpackung und auf jedem Schraubenkopf. Die erste Zahl, multipliziert mit 100, ergibt die Mindestzugfestigkeit in N/mm², die angibt, welcher einwirkenden Kraft die Schraube widerstehen kann, bevor sie reisst. Die zweite Zahl, multipliziert mit der ersten Zahl und dem Faktor 10, ergibt die Mindeststreckgrenze in N/mm². Diese ist der wichtigste mechanische Kennwert einer Schraube, der angibt, bis zu welcher einwirkenden Zugkraft die Schraubverbindung elastisch wie eine Feder reagiert, also in ihre alte Form zurückgeht, sobald die Krafteinwirkung sich verringert.
Bei Muttern kann nur eine Mindestzugfestigkeit ermittelt werden, die der Mindestzugfestigkeit der verwendeten Schraube entsprechen muss und ebenso berechnet wird. Gängige Festigkeitsklassen sind bei Schrauben 4.8, 5.8, 6.8 oder 8.8, entsprechend bei Muttern 4, 5, 6 und 8. Schrauben der Festigkeitsklassen 10.9 und 12.9 werden als hochfeste Schrauben bezeichnet und müssen mit Muttern der Festigkeitsklassen 10 und 12 verschraubt werden.
Berücksichtigung der Cam-Out-Kraft
Bei konischen Profilen wie Schlitz, Kreuzschlitz oder Innensechskant muss auch die so genannte Cam-Out-Kraft berücksichtigt werden, die beim Verschrauben auf das Werkzeug wirkt und dieses aus dem Profil herausdrückt. Verringert werden kann dieser Effekt durch eine höhere Kraftanwendung, allerdings erhöht sich dabei auch die Gefahr, dass das Werkzeug abrutscht und dabei das Material beschädigt oder den Werker verletzt.
Um die Cam-Out-Kraft zu verringern, gibt es unterschiedliche Ansätze. Neben der Verwendung von Profilen, bei denen diese Kräfte nicht auftreten (Parallelprofile wie Vier- oder Sechskant) gibt es speziell beschichtete Werkzeuge, etwa mit Diamantstaub, die eine bessere Verbindung ermöglichen.
Schrauben mit Sicherheitsprofilen
In vielen Bereichen ist es nicht erwünscht, dass Unbefugte eine Schraubverbindung lösen können, hier kommen Schrauben mit Sicherheitsprofilen zum Einsatz. Das können entweder Profile wie der Aussendrei- oder -vierkant sein, für die das notwendige Werkzeug nur im Fachhandel bezogen werden kann, oder spezielle Sicherheitsprofile wie der Innensechskant Tamper Resistant. Dieser weist das Profil eines klassischen Innensechskants auf, zusätzlich befindet sich im Schraubenkopf zentriert ein Metallstift, der das Einführen eines regulären Sechskantschlüssels unmöglich macht. Um die Schraube zu lösen, muss ein spezielles Werkzeug benutzt werden, das zusätzlich eine Bohrung aufweist.
Im Bereich der Luftfahrt und im Automobilbau gibt es zahlreiche proprietäre Sicherheitsprofile, für die spezielle Werkzeuge benötigt werden. Das ungewöhnliche Profil soll es Laien unmöglich machen, die Schraubverbindung zu lösen und dennoch einen Austausch der Bauteile im Rahmen von Wartungs- und Reparaturarbeiten ermöglichen.
Fazit: Welches Schraubenprofil das richtige ist, hängt vom konkreten Einsatzzweck und dem verfügbaren Werkzeug ab. Sollen besonders hohe Kräfte übertragen werden, sind Sechskantprofile oft am besten geeignet, auch weil diese international am weitesten verbreitet sind.
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